Wohnhaus für eine größere Familie

Bauherr

Fam. Lanzinger

Standort

Brixlegg

gebaut 2001/2002

Projekt-
beschreibung

Projektbeteiligte :

Fotografie – David Schreyer , Günther Wett , Yushio Futagawa

Auszeichnungen
Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2004
Pro Holz Holzbaupreis 2003
BTV Bauherrenpreis 2003
Das beste Haus 2005 , Nominierung

Publikationen

EFH Lanzinger in  GA Houses #83 , JP, 2004
EFH Lanzinger in  Baumeister B6-2004, GER, 2004
EFH Lanzinger in  Deutsche Bauzeitung 5-04, GER, 2004
EFH Lanzinger in Detail 1+2 2004, GER, 2004
2005 maisons e`cologiques , Dominique Gauzin-Müller
2005 FamilienHäuser , Friedrich Grimm
2005 Leseni stolp na Tirolskem , HISE , Maja Ivanic , Slowenien
2007 Detail in Contemprary residental Architecture ,Virginia Mc Leod
2008 Vera Grimmer , Architecture as Experiment for One`s Own Needs , oris 52
2008 gelebte Räume , Janos Kalmar / Barbara Sternthal
2017 , Landhäuser , Melanie Breuer / Bodo Mertoglu

Ausstellung (Auswahl)
EFH Lanzinger bei  Maßstab 1:1, Architektur im Selbstversuch
Kunsthaus Mürz, Mürzzuschlag, A, 2007/2008, kuratiert von Liquid Frontiers, Wien

Vortrag (Auswahl)
Antonius Lanzinger über Holzblockbau, Rotterdam, NED, 2011

Wohnen in der Vertikalen – Ein hölzerner Turm in Brixlegg, Tirol
von Andreas Gottlieb Hempel

Das Inntal ist wahrlich gesegnet mit Türmen von Burgen und Schlössern. Nähert man sich auf der Inntalautobahn von Kufstein kommend allmählich Innsbruck, so bemerkt man linker Hand oberhalb von Brixlegg an einem Hang im Wald einen Neuzugang. Scharf abgebremst und geschwind hinaus in das kleine Städtchen, man kann die neue Landmarke nicht verfehlen. Sie befindet sich an einem steilen Nord-Westhang oberhalb des Ortes, so steil, daß sogar der Geländewagen des Architekten-Bauherren abrutschgefährdet geparkt erscheint.

Hier, im Schatten des Berges und hoher Bäume, ist dennoch der Traum eines Architekten vom eigenen Haus mehr als wahrgeworden. Früher oder später wollen sie sich wohl alle diese Sehnsucht erfüllen, die Architekten, – einmal ohne Bauherren und Kompromisse (außer dem des eigenen Budgets) zu bauen und ohne die Gefahr von Bauschadensprozessen die eigenen räumlichen, funktionellen und konstruktiven Vorstellungen im Maßstab 1:1 zu erproben. Für immer? Wer weiß. Baun mer mal, dann segn mer scho!

In diesem besonderen Fall zunächst aber einmal mit sehr viel Eigenleistung und Eigensinn – und als gelernter Schreiner natürlich in Holz. Was dem Architekten Antonius Lanzinger sofort den Holzpreis Tirol 2003 einbrachte und ihm, seiner Frau und den vier Töchtern im Alter zwischen drei und zehn Jahren, ein besonderes Wohnvergnügen in der Vertikalen. Das 36 Grad steile und verschattete Hanggrundstück – im Winter dringt die Sonne nicht bis auf den Boden vor! – war zwar günstig zu haben, stellte aber durch diese Nachteile (und durch seine fantastischen Aussichtsmöglichkeiten über das Inntal in die westlichen Bergketten!) besondere Anforderungen. Der Architekt löste sie auf der Basis von 6 auf 8 Metern über einem Betonfundamentgeschoss, welches kaum in das Gelände eingreift. Darauf entstand ein hölzerner Turm über vier Stockwerke aus traditionell gefügten, massiven Holzbalken mit dem Querschnitt von 14/18 cm.

Als schlanker Turm, mit seiner splendiden Dachterrasse und den raffiniert platzierten Fensteröffnungen fängt das Haus die Sonne ein und eröffnet den Bewohnern ein überwältigendes Panorama über den Wipfeln der Bäume und den Dächern der verblüfften Nachbarn, die den Plänen des jungen Architekten ebenso wie die Gemeinde sehr wohlwollend gegenüberstanden. 

Alle Funktionen des Familienlebens sind übereinandergestapelt:

Im Betonsockel ein Eingang, die Nebenräume und noch nicht ausgebauter Raum für eine zukünftige Badelandschaft unter Oberlichtern. Aus diesem Sockelgeschoss reckt sich übrigens das Rückgrat des Turmes, eine Art Kamin, der alle Installationen für Wasser, Elektro- und Ofenanschlüsse enthält. Das erste Wohngeschoss mit der Küche, dem Essplatz und einem Wohnraum über 5 m Höhe mit Galerie für den Arbeitsplatz erreicht man noch einmal hangseitig über einen weiteren, höhergelegenen Eingang. Von dort führt eine artistisch anmutende Treppe nur mit Trittstufen aus Eichenbohlen, die in das Balkenwerk der Außenwand eingespannt sind – bei jedem Tritt geschmeidig seufzend – in die oberen Räume. Abgeschlossene Zimmer und Flure gibt es nicht, nur Duschkabinen in den beiden oberen Etagen, von denen die erste eine heitere Fantasielandschaft für die Töchter zum Schlafen, Spielen und Arbeiten ist. Darüber folgt etwas aufgeräumter aber nicht minder großzügig das Elternparadies. 

Alle Etagen werden über Kachelöfen und offene Kamine am „Rückgrat“ beheizt. Gerade mal 10 Kubikmeter Holz hat die Familie im vergangenen Winter für 145 qm Wohnfläche verbraucht. Wenn das nicht Bio ist! Die Wärmedämmung der massiven Blockbauweise wirkt – wohl auch über „warmen“ haptischen Qualitäten des Holzes – so verblüffend gut, daß der Architekt auf die ursprünglich geplante innere Holzverschalung der Außenwände verzichten konnte. Wenn überhaupt noch eine Verschalung notwendig werden sollte, dann wohl eher als Wettermantel über den Außenwänden der nicht durch einen weiten Dachüberstand oder ähnliches geschützten Blockkonstruktion und deren empfindlichen Fügungen an den vier Ecken. Man wird sehen, wie sich die ungeschützte Konstruktion bewähren wird. 

Zunächst aber verbleicht der unbehandelte Holzturm durch das Wetter ins Silbergraue. Und setzt sich! Nicht nur bequem auf seinen Betonsockel, nein, er schrumpft durch das Schwinden des Holzes in sich, 16 cm insgesamt bereits im ersten Jahr. Holz arbeitet, kracht, riecht gut und bleibt so lebendig, daß der Architekt großen Detailaufwand betreiben musste um das Glas seiner Fenster vor dem Zerspringen zu schützen. Besonders konstruierte Fensterrahmen mit tiefen Setzfugen und eine spezielle Mechanik zum Öffnen der Fenster sind durch konstruktives Nachdenken auf einfachste Weise entwickelt worden.

Überhaupt zeichnet sich dieser ungewöhnliche Wohnturm durch eine geradezu geniale Einfachheit aus. Nach Heinrich Tessenow ist das Schöne ja immer einfach – hier trifft es zu und vermittelt eine Wohnatmosphäre um welche man die Familie Lanzinger nur beneiden kann!

Bild
David Schreyer (Winter)
Yoshio Futagawa (2-4)
Günter Richard Wett (5-12)

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