bauliche Restrukturierung Hochrum
Bauherr
Kreuzschwestern Hochrum
Entwurfsprojekt 2007- 2009
Projekt-
beschreibung
4 Ausbaustufen :
neue Sanatoriumskapelle – Umnutzung der Bestandsflächen für Sanatoriumszwecke
Exerzitienhaus geistliches Zentrum, neuer Eingang und Zufahrt Sanatorium
Ordinationszentrum , Garagierung Pkw Stellplätze Untergeschosse
Erweiterung Bettentrakte , Aktualisierung Physiotherapie
Projektbeteiligte :
Visualisierung / rendering – M9 Architekten
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dazu eine Widmung von meinem Freund , Architekt Dr. Illmer Markus
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Sehr geehrter Herr Architekt Lanzinger, lieber Kollege!
Schon mehrfach hast Du mir von der gedanklichen Entwicklung Deiner jüngsten Projekte berichtet. Kurz vor Weihnachten ergab sich dann die Gelegenheit, daß Du mir Deine verschiedenen Arbeiten, darunter besonders das Erweiterungsprojekt für das Sanatorium Hoch-Rum, in Deinem Büro präsentieren konntest. Die Perspektiven, Planentwürfe und Modellaufnahmen haben mich tief beeindruckt, sodaß ich deren gedankliches Konzept für mich selbst noch einmal nachzuzeichnen versuche, um es Dir im Sinne unseres schon seit Jahren geführten „Architekturgesprächs“ gewissermaßen als eine Art Außen-Reflexion zurückzuerstatten. Ich beziehe mich dabei nur auf das Projekt „Sanatorium“ und hebe vor allem drei Punkte hervor: Funktion – Rekreation – Kapelle.
- Funktion
Das Erweiterungsprojekt stellt für das Sanatorium (Krankenhaus – Verwaltung) ein unschätzbar wertvolles Instrumentarium dar. Denn es zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten des Standortes, und zwar nicht nur als reine Möglichkeit, sondern, bei diesem hoch ausgereiften Stand der Planungen, als eine baurechtlich, funktional und technisch jederzeit realisierbare Möglichkeit. Ergibt sich z.B. der Bedarf einer bestimmten Gebäudekubatur, so ist jetzt sofort abrufbar, wo mit genauer Angabe der Nutzflächen, des technischen Aufwands und der Kosten eine solche Kubatur innerhalb des Gesamtkomplexes funktional richtig umzusetzen wäre. Bezüglich der verschiedenen Funktionen (z.B. Ordinationstrakt, Sporttherapie, Physiotherapie etc.) besteht dabei ziemlich freie Handhabung; sie können auch durch andere Bedürfnisse ersetzt werden. Wesentlich ist, daß das Erweiterungskonzept gleichsam als ein additives System angelegt ist, das erweiterbar und auch reduzierbar ist ohne dadurch die Ganzheit der gesamten baulichen Anlage zu beeinträchtigen. Man hat in diesem Sinne von einem „Baukastensystem“ gesprochen. Der Begriff scheint mir aber wegen seiner mechanistischen Konnotation unzureichend. Geeigneter ist die Vorstellung eines Organismus, der in unterschiedlichen Gebäudebereichen wachsen kann und auch bei einer bloßen Teilrealisierung nicht mangelhaft bleibt, sondern stets seine organisch-ganzheitliche Komplexität erweist. D.h. auch nur bei halber Umsetzung ist es immer ein ganzer Entwurf und immer ein ganzes Konzept. Daß der Entwurf nicht nur Teile entwickelt, sondern in allen Teilen eine verbindende Ganzheit entstehen läßt, scheint mir eben wesentlich seine außerordentliche baukünstlerische Qualität auszumachen.
Jedoch davon noch mehr unter Punkt 2.
- Rekreation
Die hier darzulegenden Gedanken hast Du, lieber Antonius, mir schon im vergangenen Sommer mitgeteilt. Es geht– bei Dir aus persönlicher Erfahrung kommend – um die Frage der psychologischen, mehr noch: spirituellen Begleitung der Patienten. Dieses Anliegen hast Du in Deinem eigenen Vorwort aufgegriffen und ihm in Deinem Entwurf einen speziellen Gebäudeflügel gewidmet, den sogenannten „Exerzitientrakt“. Dieser läuft in schwebender Bewegung weit nach Westen vor und steht über einen intimen Innenhof in Verbindung mit der Hauskapelle des Sanatoriums als seiner eigentlichen Sinnmitte. Nun ist das Wort „Exerzitien“-trakt gerade vom ordensinternen Sprachgebrauch her ein mißverständlicher Begriff. Gleichwohl bleibt klar, worum es geht: Daß nämlich Heilung niemals nur ein mechanistischer und bloß körperlicher Vorgang ist, sondern die Ganzheit der Person, also auch ihre geistigen und seelischen Kräfte in Anspruch nimmt. Im Sinne einer solch ganzheitlichen Sicht des Heilens, welcher sich ja gerade die christlichen Ordensspitäler verpflichtet wissen, ersetzen wir das mißverständliche Wort „Exerzitien“ durch „Rekreation“. Letzteres ist interessanterweise wiederum ein Begriff ordensinterner Lebenspraxis, der uns jetzt aber den ganzheitlichen Sinn des Heilens in größerer Deutlichkeit zum Ausdruck bringt: Heilen als ein Wiedergewinnen des Wesens des Menschen; als ein sich Finden in wiederhergestellter neuer Ganzheit, trotz alles bleibend Fragmentarischen; zuletzt Heilung erfahren als ein nicht erzwingbares Geschenk, eben als Neuerschaffung: Rekreation. In diesem Sinne kann der Exerzitientrakt oder das von Dir so benannte geistliche Zentrum in „Rekreation“ umbenannt werden.
Nun weiß heute jede Krankenhausleitung um diesen psychisch-spirituellen Aspekt Bescheid, weiß, daß die medizinischen Abläufe nicht nur apparathaft organisiert sein dürfen; und selbstverständlich gibt es auch schon den Markt, der diese Bedürfnisse bedient: Ein Springbrünnlein für die Meditation, eine Farbkollektion und etwas Lichteffekte fürs Gemüt, ein bißchen Kunst in den Gängen für den Geist. Das redliche Bemühen in diese Richtung ist gewiß groß, das meiste bleibt jedoch nur Aufbesserung, Einrichtung und Ausstattung.
Ich schließe jetzt an das unter Punkt 1 gesagte an. Heilung ist zuletzt immer getragen von Sinnerfahrung, diese ist aber von Wesen eine Erfahrung von Ganzheit. So kann es bei der Planung nicht nur um die emotionale Ausstattung von Räumen gehen, sondern darum, diese als sinnstiftende Orte zu gestalten. Dein Konzept der organischen Ganzheit kann so wesentlich und ursprünglich als eine durch die baulichen Gegebenheiten vermittelte Sinnerfahrung verstanden werden, welche dadurch eben die Heilung als einen ganzheitlichen Vorgang fördert.
Manche Elemente und Motive Deiner Entwürfe rufen mir unwillkürlich bestimmte Bauformen von Le Corbusier ins Gedächtnis. Natürlich ist das nur meine Assoziation, doch denke ich mir, daß es nicht schaden kann, Corbusiers Dominikanerkloster La Tourette zu meditieren, um von daher eine Ahnung dafür zu gewinnen, welch geistige und sinnstiftende Kraft in Deinen Arbeiten liegt. Dies zu ermessen scheint mir für einen möglichen Bauherren – allen Einzelfragen vorweg – das wesentliche Kriterium für dessen Entscheidungen zu sein.
- Kapelle
Die ganze Anlage Deines Entwurfs sammelt und konzentriert sich in der neu geplanten Kapelle. Zwei Entwurfsvarianten liegen vor. Einmal die Kapelle als Abschluß einer wegartig angelegten Raumsequenz. Sodann ein mitten in das Sanatorium gesetzter Zentralraum, der alle Gebäudeteile kraftvoll auf sich bezieht. Die zweite Variante erscheint schon auf den ersten Blick als die entsprechendere, was nicht bedeutet, daß die Entwurfsgedanken der ersten nicht ebenfalls in sich stimmig wären. Sie sind vielleicht für eine andere Bauaufgabe aufgespart. Warum aber die zweite Variante, also die zentrale Anordnung der Kapelle? Dazu teilen ja gerade die Schwestern des Sanatoriums mit, daß der Weg zur Kapelle zu weit wäre. Tatsächlich geht es hier nicht um einen Weg, nicht um eine Wallfahrt. Die
Schwestern wollen vielmehr ihren pflegerischen Dienst gleichsam in der Nachbarschaft des Herrn versehen. Sie wollen wissen und erfahren, daß der Herr bei ihrem Arbeiten und Tun mitten unter ihnen wohnt. Die so gefühlte Nähe ist auch für die Patienten von großer Bedeutung. So betrachte ich es als wichtig, daß nach der zweiten Entwurfsvariante die Kapelle nicht irgendeinen undefinierten Raum einnimmt, sondern tatsächlich die geistige und bauliche Mitte des gesamten Sanatoriumkomplexes darstellt. Ein Einwand, der sich aufgrund der Erbauungskosten gegen die neue Kapelle richten könnte, hebt sich schon dadurch auf, daß durch die Neuanordnung der einzelnen Funktionsbereiche dem Haus derart bedeutende Erweiterungsmöglichkeiten erschlossen werden, in welchen die Kosten eines Kapellenneubaus allemal enthalten sind.
Lieber Antonius, ich hoffe, daß ich Deine Entwurfsgedanken in Ansätzen nachvollziehen konnte und richtig zum Ausdruck gebracht habe. Ich verhehle nicht mein Staunen über Deine Arbeiten und wünsche Dir für die weiteren Projekte gutes Gelingen.
Mit kollegialen Grüßen
Dr. Markus Illmer, Architekt